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EINBRUCH INS REALE STATT EINBRUCH DES REALEN

Das BONE Performance Festival widmete sich bisher «all den Wenigen» (Norbert Klassen), den Afficionados der Performance. Es verstand sich als Austausch-Plattform unter Kunstschaffenden und bezog diese auch als Publikum mit ein. Mit CC-Convenient Conspiracy oder Haben und Sein: Bern – ein Modell bespielt das Festival in diesem Jahr den Stadtraum und richtet sich an sämtliche Bevölkerungsschichten. Kennerschaft wird zugunsten eines breiten Publikums aufgehoben, institutionelle Verankerung zugunsten des demokratisch nutzbaren Gemeinraumes. BONE 2020 löst die Performance aus der Aufführungspraxis. Stattdessen werden performative Handlungen initiiert, die von allen mitgemacht und mitgestaltet werden können. Performance wird zum Teil gesellschaftlichen Treibens und bewegt sich deshalb genau dorthin, wo das Leben spielt: in den öffentlichen Stadtraum, auf die Strassen und Plätze, an die Flüsse, Bäche und in die Wälder, an Orte, die allen unterschiedslos zugänglichen sind. Es ist ein radikal demokratisches Festival.


Es gibt kein Publikum mehr im Sinne der Zuschauenden und gezielt Teilnehmenden. Die Hierarchie von Kurator*innen und Publikum ist zugunsten einer geteilten Autorschaft aufgehoben. Alle können zu aktiven Mitstreiter*innen werden. Dabei ist die Expertise der Berner*innen gefragt und gefordert, denn niemand kennt den Stadtraum so gut wie sie. In ihm geraten über Einladung oder durch Zufall Passant*innen in kleineren oder grösseren Gruppen in den Fokus und wirken im Rahmen der innerhalb des Festivals festgelegten Spielregeln mit. Die Demokratisierung des Entstehungsprozesses unter dem Motto «wer mehr mitmacht, erlebt mehr!», macht unseren Begriff der Performance deutlich. Als ein künstlerisch-experimentelles Spielfeld, welches seine Produktions- und Präsentationsformen kontinuierlich erprobt, setzen wir auf Kollaboration und geteilte Verantwortung.


Im Zentrum stehen das Gemeinwohl und der Gemeinsinn, die in Bern einen gesunden Stand haben. So vieles, was die Gemeinschaft fördert, ist vorhanden und wird gelebt. Das Festivals soll auf eine affirmative und partizipative Weise Platz geben, das Bestehende wertzuschätzen. Indem wir behaupten, alles sei da, schaffen wir Raum zum Staunen über den Bestand und lenken die Aufmerksamkeit auf das Miteinander. Der Begriff der konspirativen Teilhabe ist bei der diesjährigen Ausgabe zentral. Wir aktivieren das inkorporierte Wissen durch Infiltration. Unsere Künster*innen werden z.B. in privaten Wohnungen untergebracht, wir bedienen uns in den sozialen Medien der Bilder, welche über Bern schon existieren. Wir gehen der Stadt unter die Haut, um unsere Netzwerke zu vergrössern und zu verbinden. Aus dieser Praxis resultiert eine hybride aber bewegliche Festivalform, in welcher sich die Grenzen verwischen und alle dabei sind. Wir stärken das Wir-Gefühl, das gerade in Zeiten verordneter Isolation an Bedeutung gewinnt.


Die Arbeit mit Vorhandenem öffnet einen Blick auf die Ressourcen, die der Gemeinschaft im Stadtraum zur Verfügung stehen und zeigt auch, wie sorgfältig mit ihnen umgegangen wird. Die amerikanische Ökonomin Elinor Ostrom hat in umfangreichen Studien nachweisen können, dass in vielen Fällen Ressourcennutzung durch selbstorganisierte Gemeinschaften langfristig nachhaltig geschieht. Die Teilnehmer*innen solcher Gemeinschaften haben sich gewöhnlich auf eine Reihe klarer und einvernehmlicher Nutzungsregeln geeinigt. Herauszufinden, ob und inwiefern solche Regeln auch in und für Bern gelten, hat sich BONE 2020 zum Thema gesetzt. Gemeinsam mit der Bevölkerung sorgen wir uns um den Erhalt des Gemeinwohls im Sinne aller.